Theater Rayo | Rückblick

Das Große Welttheater – gespielt nach Notizen des Teufels

„Koproduktion mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen“

Die Leitmotive des Stückes sind mittelalterlichen und frühbarocken Werken entnommen. Dem „Narrenschiff“ von Sebastian Brant, Calderons dramatischer Allegorie der Schöpfung und John Miltons „Paradise Lost“, das von Luzifer als einem gefallenen Engel, einem verlorenen Wanderer zwischen Gott und den Menschen erzählt.

Die Bildsprache dieser Werke bewegt sich zwischen Traum und Wachheit und berührt unmittelbar die elementaren Ängste und Wünsche der Menschen. Es sind eschatologische Phantasien von Liebe, Tod, Vernichtung, Erlösung. Verankert in unserem kollektiven Gedächtnis und in jedem einzelnen Individuum.

Der Zauber dieser alten Stoffe liegt darin, dass sie erlauben, mit den einfachen Mitteln des Spektakels von dem Rätsel der Existenz und dem Geheimnis der Seele zu erzählen. Das reicht weit über jeden engen Begriff von Religion hinaus.

So wie die figurenreichen Portale mancher Kathedralen auch kein Dogma vermitteln, sondern ein berauschendes, allegorisches Bilderbuch vor dem menschlichen Auge aufblättern, das einfach nur von der Vielfalt der Schöpfung und von der hellen und der dunklen Seite allen Lebens erzählt.

In der elementaren Kraft dieser alten symbolischen Bilder liegt ihre Gegenwärtigkeit. Lust und Verlust. Totentanz und Vanitas.  Schließlich das Narrenschiff als Metapher auf eine absurde Welt, in der die Menschen ohne Orientierung treiben, mit Spaß, Lärm und Events die Zeit, die Angst und den Tod verjagen.

In diese Partie mischt sich der Teufel als ungebetener Gast, als Zeremonienmeister und Spielführer. Aber er hat hier nicht mehr die Größe und das Pathos von Miltons Protagonisten. Er ist eher eine tragikomische Gestalt, tief gekränkt und ein einsamer Hund, der versucht, über Gottes liebstes Spielzeug wieder hinein zu kommen in eine schon verlorene Partie. Also verführt er Eva zum Ungehorsam, zur Entdeckung der Sinnlichkeit und der Lust.

EVA: „Warum soll ich Verbotenes wollen?“

TEUFEL: „Weil du sie spürst, die Langeweile. Weil du schon ahnst, wie sehr in allem, in alldem hier die Ödnis steckt. Die immer gleichen, schönen Tage. Das Morgenrot. Unübertroffen. Das Abendlicht. Gewaltig, nett. Und jede Nacht das gleiche Bett.“

Es folgen Sündenfall, Verlust des Paradieses, das mühevolle eigene Leben. Die Zeit beginnt und mit ihr kommt der Tod auf die Welt. In einem mittelalterlichen Possenspiel stolpert der Tod wie ein ungelenkes Küken in die Welt. Anregung für die Figur in diesem Stück. Ein Kaspar Hauser von Tod, der, zu lange eingesperrt, nun zu jedermann hinlaufen, zu irgendjemand gehören möchte. Und der dann ganz fassungslos ist, weil alles Leben vor ihm flieht. Der Teufel spricht ihn an.

TEUFEL: „Du wirst von niemandem geliebt? Du bleibst dein Leben lang allein? Man kann auch ohne das Gedusel auf dieser Erde lustig sein. Befreund dich mit der Einsamkeit. Du bist ein Prinz, das Reich hier dein. Vorausgesetzt, du bist recht fleißig, holst du ne fette Ernte ein.“

Der Teufel sieht sich in der Rolle des Mentors. Um dem ungelenken Tod die Feinheiten seines Handwerks zu lehren, ruft er zum Reigen, zum Totentanz, ruft den König, den Bischof, den reichen Mann, die eitle junge Frau. Dann begegnet der Tod dem Bauern.

BAUER: „Mein Geist ist wirr. Mein Körper schwach. Was ich war und bin, zerbricht mir wie Glas.“

TOD: „ Vor langer Zeit bist du geboren. Und deiner Tage Zahl ist groß. Komm. Füg dich einfach in dein Los. Was kann es hier für dich noch geben. Der Tod ist besser als das Leben.“

Der Tod begleitet ihn, geht einfach mit. Der Teufel bleibt alleine zurück. Treibt durch die Zeit, leider unsterblich. Gelangweilt, verbittert, weil es in einer materialistischen Welt keine Aufgaben mehr gibt. Keine großen Seelen, mit denen zu ringen sich lohnt.

Um „dem Mahlwerk der Gedanken“ zu entkommen, zerstreut er sich ab und an mit einer der Kreaturen, die sein Diener Asassiel ihm zutreibt, der seinen Herrn bei Laune halten möchte. So begegnet der Teufel dem Simpl, einem einfältigen Menschen. Einfältig, wie es der alte Wortsinn meint – klar und offen, ohne Arg, ohne eine Falte der Seele. Simpl lädt den Fremden, den er für einen armen Menschen hält, zu seinem Fest, zu seiner Hochzeit. Der Teufel bedankt sich, indem er ihm die Augen öffnet.